Kindern ein Zuhause geben – Kleiner Ratgeber für interessierte Pflegepersonen

Eine Pflegemutter mit ihrem Pflegekind auf dem Arm.

Wenn Sie ein Pflegekind aufnehmen möchten, stellen sich viele Fragen. Wir haben die wichtigsten Infos für alle, die ein Kind oder einen Jugendlichen zur Pflege aufnehmen möchten zusammengefasst.

Wenn Eltern oder alleinerziehende Elternteile mit der Verantwortung für ihr Kind überfordert sind, gibt es in Berlin ein Netz an Hilfs- und Unterstützungsangeboten. So bieten die Berliner Jugendämter „Hilfen zur Erziehung“. Die Überforderung kann viele Gründe haben, etwa gesundheitliche Probleme oder eine andere Ausnahmesituation.

Ist das Wohl des Kindes dadurch gefährdet, kann es in einer Pflegefamilie, bei Pflegeeltern oder bei einer Pflegeperson unterkommen. Auch wenn das Kind nicht mehr bei den leiblichen Eltern lebt, sollen sie weiter so gut und so weit wie möglich in alle Entscheidungen eingebunden werden. Die rechtliche Grundlage ist Paragraf 33 Sozialgesetzbuch – Achtes Buch (SGB VIII).

Allein in Berlin suchen die Jugendämter für rund 700 Kinder auf Zeit oder dauerhaft eine Pflegefamilie. Stand 2024 leben in Berlin gut 2.000 Pflegekinder in knapp 1.800 Pflegefamilien.

Wichtiger Hinweis

Bitte beachten Sie, dass wir Ihnen hier nur einen allgemeinen Überblick über das Thema Pflegekinderhilfe und Pflegekinder geben können. Die jeweilige Pflegesituation ist immer sehr individuell. Wenn Sie sich tiefer mit dem Thema beschäftigen möchten, nutzen Sie daher die im Artikel aufgeführten Angebote und Ansprechpartner.

Für eine bessere Verständlichkeit sprechen wir im Artikel in der Regel allgemein von Pflegefamilien. Gemeint sind dabei Pflegefamilien, Pflegeeltern und Pflegepersonen.

Mehr Unterstützung für Pflegefamilien

Wenn Sie sich dafür entscheiden, Kindern aus schwierigen Verhältnissen ein sicheres und liebevolles Zuhause zu geben, bekommen Sie dabei viel Unterstützung von den Berliner Pflegekinderdiensten. Das sind in der Regel die Jugendämter in den Bezirken oder auch freie Träger.

Das Land Berlin hat im September 2024 das Pflegegeld deutlich angehoben und plant weitere Entlastungen für Pflegefamilien wie beispielweise den „Startbonus Pflegekind“. Zudem ist ein umfangreiches Maßnahmenpaket für Pflegefamilien in Arbeit. Dazu gehören Ferienfahrten und niedrigschwellige psychotherapeutische Angebote für Pflegekinder sowie Supervisions-Angebote für Pflegeeltern. Das Land Berlin will zudem die bürokratischen Belastungen für Pflegefamilien deutlich reduzieren.

Vor der Entscheidung ein Pflegekind aufzunehmen, stehen viele grundlegende Fragen. Wir haben für Sie die wichtigsten Informationen rund um die Aufnahme eines Pflegekindes zusammengetragen.

 

Die wichtigsten Fragen und Antworten für (werdende) Pflegefamilien

  • Welche Voraussetzungen müssen Pflegeeltern mitbringen?

    Die allererste und sicher wichtigste Voraussetzung ist, dass Sie in Ihrem Alltag genug Zeit haben, um sich um das Kind zu kümmern. Sie sollten zudem nicht finanziell auf das Pflegegeld angewiesen sein. Sie sollten auch ausreichend Platz in Ihrer Wohnung haben, um ein Kind aufnehmen zu können.

    Kooperationsbereitschaft ist eine weitere wichtige Voraussetzung, die Sie als künftige Pflegefamilien mitbringen müssen. Denn als Pflegefamilie müssen Sie mit dem Jugendamt und anderen sozialen Diensten zusammenarbeiten sowie Verbindung zu den leiblichen Eltern halten.

    Darüber hinaus ist es grundsätzlich egal, ob Sie verheiratet sind, in einer Partnerschaft leben oder alleinstehend sind. Auch gleichgeschlechtliche Paare und Ehepartner können Pflegekinder aufnehmen.

    Als Pflegefamilie muss Ihr gewöhnlicher und dauerhafter Wohnsitz in Deutschland liegen.

  • Gibt es eine Altersgrenze für die Aufnahme von Pflegekindern?

    In der Regel sollten Sie nicht jünger als 25 Jahre sein. Wenn das Pflegekind volljährig wird, sollten Sie nicht älter als 63 Jahre sein. Damit möchten die Pflegekinderdienste sicherstellen, dass es einen familienentsprechenden Altersunterschied gibt. 

    In begründeten Einzelfällen können die Berliner Pflegekinderdienste von diesen Standards auch abweichen.

  • Wie können wir Pflegeeltern werden?

    Wenn Sie ein Pflegekind bei sich aufnehmen möchten, können Sie sich einfach an das Jugendamt oder einen vom Jugendamt beauftragten freien Träger in Ihrem Wohnbezirk wenden. Das Online-Angebot „Pflegekinder Berlin“ hat die Ansprechstellen für die jeweiligen Bezirke übersichtlich zusammengefasst.

    Wenn Sie mit dem Gedanken spielen, ein Pflegekind aufzunehmen, sollten Sie zunächst einen Informationsabend besuchen. Dort bekommen Sie einen ersten Überblick, beispielsweise über den rechtlichen Rahmen sowie den Bewerbungs- und Vermittlungsweg.

    Der zweite Schritt nach dem Informationsabend ist ein in der Regel eintägiges Vorbereitungsseminar. Hier bekommen Sie Informationen zu verschiedenen Themen aus dem Pflegefamilien-Alltag. Sie können sich gemeinsam mit anderen Teilnehmenden intensiv mit Ihrer zukünftigen Aufgabe auseinandersetzen. Einladungen zum Seminar bekommen Sie persönlich nach dem Informationsabend.

    Wenn die Entscheidung danach für Sie feststeht, startet der sogenannte Überprüfungsprozess.

  • Wie läuft der Überprüfungsprozess ab?

    Im Interesse der Kinder und Jugendlichen muss gewährleistet sein, dass die vorgesehenen Standards eingehalten und von den potenziellen Pflegefamilien erfüllt werden. Zudem muss die persönliche Eignung der Interessenten gegeben sein, für ein Pflegekind zu sorgen. Die Berliner Pflegekinderdienste wollen das mit dem Überprüfungsprozess sicherstellen.

    Während des Überprüfungsprozesses finden mehrere Gespräche zwischen Ihnen und der zuständigen Stelle statt. Eines der Gespräche ist bei Ihnen zu Hause. Die Gespräche dienen dazu, dass die Fachkräfte aus den Jugendämtern oder der freien Träger Sie kennenlernen können und ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis entstehen kann. Sie helfen Ihnen aber auch, über Ihre Entscheidung reflektieren zu können.

    Sie müssen zudem ein Gesundheitsattest, ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis und eventuell Ihren Einkommensnachweis vorlegen.

    Der Prozess ist sowohl für die Fachkräfte als auch für Sie wichtig und notwendig. Zum einen, um Ihre Familie vor unnötigen Belastungen zu bewahren. Zum anderen und vor allen Dingen, um einem Pflegekind einen erneuten Abbruch einer Beziehung zu ersparen.

  • Wie werden wir auf unsere Aufgabe als Pflegefamilie vorbereitet?

    Wenn der Überprüfungsprozess erfolgreich abgeschlossen ist, werden Sie nicht ins kalte Wasser geworfen. Wenn Sie erstmals ein Pflegekind aufnehmen, bereitet Sie eine Pflegeelternschulung auf Ihre neue Aufgabe vor. Die sogenannte Grundqualifizierung umfasst 100 Unterrichtseinheiten mit jeweils 45 Minuten.

    Sie bekommen dabei das Basiswissen vermittelt, das Sie für Ihre Aufgabe brauchen. Gleichzeitig haben Sie die Gelegenheit zum moderierten Erfahrungsaustausch mit anderen Pflegefamilien. Wie genau die Qualifizierung abläuft sowie wann und wo Sie starten können, besprechen Sie mit den Fachkräften während des Überprüfungsprozesses.

  • Wie viel Geld bekommen wir monatlich für ein Pflegekind?

    Eine grundlegende Voraussetzung, ein Pflegekind aufnehmen zu können, ist dass Sie nicht auf das Pflegegeld als „Einkommen“ angewiesen sind. Sie also das Pflegegeld nicht benötigen, um Ihren eigenen Lebensunterhalt zu finanzieren.

    Nichtsdestotrotz bekommen Sie, wenn Sie Verantwortung für ein Pflegekind übernehmen, selbstverständlich vom Land Berlin mit dem Pflegegeld eine finanzielle Unterstützung. Das Pflegegeld setzt sich grundsätzlich aus zwei Bestandteilen zusammen:

    • Eine Pauschale für den Lebensunterhalt des Kindes (Kosten für den Sachaufwand)
    • Eine Abgeltung der Erziehungsleistung (Kosten für die Pflege und Erziehung)

    Berlin hat im September 2024 die Beträge deutlich erhöht. Damit orientiert sich das Land Berlin an den Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Vorsorge.

    Bei einer dauerhaften Vollzeitpflege haben Sie als Pflegefamilie zudem Anspruch auf das Kindergeld. Dieses wird anteilig mit dem Pflegegeld verrechnet.

  • Pflege und Adoption – was ist der Unterschied

    Anders als bei einer Adoption behalten die leiblichen Eltern meist weiter das Sorgerecht. Die Pflegefamilien erziehen stellvertretend für die leiblichen Eltern und treffen nahezu alle Alltagsentscheidungen. Dazu gehören vor allem die Erziehung und Versorgung sowie die Beaufsichtigung des Kindes und die Rechtgeschäfte des täglichen Lebens. Diese umfassen beispielsweise den Kauf von Gegenständen des täglichen Bedarfs, wie Nahrungs- und Genussmittel, Kosmetika, Bücher, Kleidung und andere Textilien, Fahrkarten, Telefon- und Internetzugang, Friseurbesuche sowie Besuche von Veranstaltungen.

    Genaueres hängt jeweils von der individuellen Lebenssituation der leiblichen Eltern ab und ist im Pflegevertrag geregelt.

    Im Gegensatz zu einer Adoption ist das Ziel der Vollzeitpflege, dass die Pflegekinder irgendwann wieder bei ihren Eltern wohnen können. Denn als Hilfe zu Erziehung ist die Vollzeitpflege eine Unterstützung der leiblichen Eltern zum Wohle des Kindes.

  • Wie lange lebt das Pflegekind bei uns?

    Idealerweise sind Kinder und Jugendliche nicht dauerhaft in einer Pflegefamilie. Primär geht es darum, den Kindern und Jugendlichen ein sicheres und liebevolles Zuhause zu bieten, wenn die leiblichen Eltern nicht für das Kind sorgen können. Die Vollzeitpflege in einer Familie ist die Alternative zu einer stationären Hilfe in einer Institution. Sie soll vorrangig vor stationären Hilfen zum Einsatz kommen.

    Kurzzeit-Pflegekinder leben etwa drei bis sechs Monate in der Pflegefamilie. Bei einer unbefristeten Vollzeitpflege lebt das Kind in der Regel bis zum 18. Lebensjahr in der Pflegefamilie. Sollten sich die Verhältnisse in seiner Herkunftsfamilie deutlich verbessert haben, kann es auch schon früher wieder zurückkehren.

    Befristete Vollzeitpflege

    Die befristete Vollzeitpflege ist für die Fälle vorgesehen, in der in der Familie des Kindes für einen absehbaren Zeitraum Erziehung und Betreuung nicht sichergestellt sind. Gründe für eine befristete Unterbringung können etwa familiäre Not-, Belastungs- und Krisensituationen sein. Diese Form der befristeten Pflege ist auch unter dem Begriff „Bereitschaftspflege“ bekannt.

    Befristete Vollzeitpflegefamilien werden von den Jugendämtern und Freien Trägern besonders ausgewählt. Da die Pflegefamilien in der Bereitschaftspflege auch sehr kurzfristig Pflegekinder aufnehmen, müssen sie zeitlich besonders flexibel und belastbar sein. In die befristete Vollzeitpflege kommen in der Regel nur Kinder vom Säuglingsalter bis zu ihrem 13. Geburtstag.

    Unbefristete Vollzeitpflege

    Die unbefristete Vollzeitpflege ist der am häufigsten eintretende Fall, wenn die Erziehung der Kinder in der Herkunftsfamilie vorübergehend oder dauerhaft nicht ausreichend gewährleistet ist. Hier kommen meist jüngere Kinder – aber auch Jugendliche – auf längere Zeit oder auf Dauer in eine Pflegefamilie. 

  • Was dürfen Pflegeeltern nicht machen?

    Als Pflegefamilie dürfen Sie keine rechtlichen Entscheidungen für das Pflegekind treffen. Dazu gehören unter anderem Entscheidungen zu Namensänderungen oder Zustimmung zu Reisen ins Ausland. Diese Entscheidungen können in der Regel nur die leiblichen Eltern oder das Jugendamt als Vormund treffen. Reisen ins Ausland müssen Sie eng mit dem Jugendamt abstimmen.

    Die familiären Bindungen des Pflegekindes zu seiner Herkunftsfamilie dürfen Sie nicht eigenmächtig unterbrechen. Sofern es im Interesse des Wohles des Kindes ist, müssen Sie den Kontakt zur Herkunftsfamilie fördern und unterstützen. Dazu gehört auch, dass Sie das Kind nicht gegen eine mögliche Rückkehr in seine ursprüngliche Familie beeinflussen dürfen.

    Sie dürfen medizinische Behandlungen nur mit Zustimmung des Jugendamtes oder der sorgeberechtigten Eltern durchführen lassen. Ausgenommen sind davon selbstverständlich Notfallmaßnahmen, die das unmittelbare Leben des Kindes schützen.

    Sie dürfen als Pflegefamilie nicht eigenmächtig umziehen. Wenn Sie umziehen müssen oder wollen, müssen Sie sich ebenfalls eng mit dem zuständigen Jugendamt abstimmen. Denn das Jugendamt muss sicherstellen, dass durch den Umzug nicht die Betreuung des Kindes gefährdet ist.

    Als Pflegeeltern haben Sie in der Regel kein eigenes Sorgerecht. Sie dürfen also keine weitreichenden Entscheidungen treffen, die das Sorgerecht betreffen, ohne das Jugendamt mit einzubeziehen. Dazu zählt beispielsweise auch ein Schulwechsel.

  • Kann ich Elternzeit nehmen, wenn ich ein Pflegekind aufnehme?

    Als Pflegeeltern können Sie bis zu drei Jahre Elternzeit pro Kind nehmen – längstens bis zum Tag vor dem achten Geburtstag des Kindes. Dabei gelten die gleichen Regelungen wie bei leiblichen Kindern. Sie können drei Jahre Elternzeit ab Aufnahme des Kindes beanspruchen. Dabei ist nicht das Geburtsdatum des Pflegekindes entscheidend, sondern der Tag, an dem Sie das Kind in Ihren Haushalt aufnehmen.

    Mehr Informationen zu dem Thema finden Sie beim Familienportal des Bundes.

  • Bekomme ich Elterngeld, wenn ich ein Pflegekind aufnehme?

    Für Pflegekinder bekommen Sie kein Elterngeld.

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